(Leserbrief/Korrespondenz) Von einem ´Vertrauensverlust´ in die Parteien des Systems ist leider absolut nichts zu spüren: Die Wahlbeteiligung – entgegen dem allgemeinen Trend! – war höher als bei der letzten Wahl, fast wieder Zweidrittel der dazu Berechtigten gingen an die Urne, und der große Nutznießer war die traditionell-reaktionäre Christlich-Soziale Union, das allgemein anerkannte Synonym für Vetternwirtschaft und Korruption, der, wie immer, auch die letzten Skandale nichts ausmachen konnten. Einziger, konkreter Programmpunkt dieser Partei im Wahlkampf: die Einführung einer PKW-Maut für ausländische Autos. Aber wer hätte je die CSU wegen ihres Programms gewählt! Ergebnis: fast 50% der Stimmen.
Dafür sind die Liberalen der FDP draußen, von 8% auf 3% gesunken und an der 5%-Klausel gescheitert. Wer braucht denn auch Liberale? Gehalten haben sich die ´Freien Wähler´ – „bürgernah“ und „mit gesunden Menschenverstand“ – mit 9%. Vor fünf Jahren hatten sie die CSU ins Mark getroffen: Ihre Basis ist das Land, das Dorf, der Stammtisch – halt genau die CSU-Stammwählerschaft! Dort kommen sie auch auf 10-20% und mehr. Sie stehen ein für „Bürgerbeteiligung“ und Dezentralisierung, und immerhin schaffte unter ihrer Drohung, einen Volksentscheid für die Abschaffung der Studiengebühren zu erzwingen – die Unterschriften dafür hatten sie schon! – der bayrische Landtag dann tatsächlich diese Gebühren ab. Sie sind bayrisch, katholisch, antikommunistisch – das Organ des Kleinbürgertums. Zentraler Slogan: „Für ein starkes Bayern“ Zentraler Slogan der CSU: „Gemeinsam für ein starkes Bayern!“
Die Linkspartei – und dies liegt im Trend – ist schmachvoll untergegangen. Sie hat fast die Hälfte ihrer Stimmen verloren, in Prozenten
sogar mehr als die Hälfte, und steht mit schlappen 2,1 Prozent völlig daneben. Wie kann man mit Parolen gegen den Krieg in Syrien – welche die Sozialdemokratie teilt – und mit der Forderung nach staatlich festgesetzten Mindestlohn – den auch die Sozialdemokratie jetzt will – Stimmen gewinnen? Die nette Forderung „Teilen macht Spaß – Millionärssteuer“ überzeugt nicht, denn hätte ich als Arbeitsloser denn automatisch davon Vorteile? Bleibt die Glaubensfrage: Kann man der SPD trauen? Natürlich nicht. Die will nur dann keinen Krieg, wenn sie ihn nicht gewinnen kann. Und die Glaubwürdigkeit der Linkspartei? Die war in Berlin an der Regierung und hat in zärtlicher Umarmung mit der SPD die Stadt ruiniert, Sozialwohnungen verkauft und Hallenbäder privatisiert. Der Bundesvorsitzende Rixinger kommt aus der Stuttgarter Gewerkschaftsbürokratie und hat damals die Kampagne zur Wahl von Betriebsräten bei den Billigheimern (Aldi und Konsorten) gebremst, der bayrische Landesvorsitzende und Porsche-Fahrer Klaus Ernst kommt aus der Schweinfurter Gewerkschaftsbürokratie und ist ein geifernder Antikommunist. Positiv: Die Nazis der NPD kriegen keinen Fuß auf den Boden. Sie ist die Notfall-Partei des Kapitals und als solche erstmal überflüssig. In Oberbayern hat die NPD nicht einmal mehr kandidiert, landesweit hat sie ihre Stimmen halbiert und kommt noch auf 0,6%. Die Republikaner haben ein Drittel ihrer Stimmen verloren und kommen noch auf 1% – Sekten verschwinden bekanntlich erst dann, wenn ihr die Mitglieder wegsterben. Der legendäre CSU-Führer Franz-Joseph Strauß sagte damals: Rechts von der CSU kann es nichts geben. Gibt es auch nicht. Siehe weiter unten: ´Fazit´. Die sogenannte ´Deutsche Kommunistische Partei´ kandidierte nicht und die überlebenden Mitglieder wählten stillschweigend die Linkspartei. Die sogenannte ´Marxistisch-Leninistische Partei´ kandidierte nicht, ihre Aktivisten sind damit beschäftigt sich Gewerkschaftspöstchen zu erschleimen.

Fazit: Waren es ein unpolitischer Wahlkampf und unpolitische Wahlen? Und hat die unpolitischste Partei gewonnen? Es schaut zwar so aus, aber so war es nicht. Richtig ist, dass konkrete Forderungen (bei SPD, Linkspartei, Freie Wähler) offensichtlich untergingen, denn es gibt zwar breite Mehrheiten in der Bevölkerung gegen eine Intervention in Syrien, für einen Mindestlohn, usw. aber genau diejenigen Parteien, die diese Forderungen vertraten, haben die Wahlen verloren. Stattdessen gab es Ideologie.
Die CSU trumpfte damit auf, dass es in Bayern die geringste Arbeitslosenquote in Deutschland gibt, es herrscht faktisch Vollbeschäftigung – allerdings bei extremer Zunahme prekärer Arbeitsverhältnissen und absoluter Verarmung bei immer mehr Menschen (Obdachlosigkeit, Altersarmut)! Die Münchner Industrie boomt: Sicher, München ist eines der europäischen Zentren der Rüstungs- wie der elektronischen Industrie: Siemens, MAN, BMW, Airbus, … Die Rüstung boomt natürlich!
Auf die Stärke kommt es an! Kaum eine Partei, die nicht – siehe oben: CSU und Freie Wähler – auf die ´Stärke´ pochte (die liberale FDP: „Damit Deutschland stark bleibt!“, während die CSU brachte „Bayern stark in Berlin!“) Dies ist der Kern!
Diese wirtschaftlich-politische Stärke des Kapitals und seines Staates – und das ist die primitive Grundidee aller bürgerlichen Ideologien – kommt allen zugute – Wohlstand, Reichtum, usw. für alle. Hier gibt es keinen Unterschied zwischen Faschos und Liberalen. Der im Charakter der bürgerlichen Parteien verankerte Chauvinismus (´unser´ Wohlstand muss gegen arbeitsscheue, Sirtaki tanzende und Ouzo trinkende Griechen, die alles mit ´unseren´ Steuergelder zahlen, verteidigt werden; und ähnliche Phantasien) – der sich dann auch in Kriegslust, Ausländerfeindlichkeit und Hass gegenüber dem Islam offen artikuliert – lässt den Nazis keinen Platz: Man erinnere sich
nur an den rassistischen Hetzer Sarazin – der Mann ist immer noch SPD-Mitglied!

In keinem anderen Bundesland werden die Flüchtlinge so schlecht behandelt wie in Bayern, nirgendwo sonst sind sie dermaßen rechtlos. Und natürlich behandelt man in Bayern – wie die NSU-Geschichte zeigt – die Nazis mit größter Rücksichtnahme. Ein rechtsradikales Schwein kann also durchaus CSU wählen, es braucht keine NPD. Was folgt daraus? Wahlen haben in erster Linie mit Ideologie zu tun. Kritik an den Wahlen und Wahlboykott müssen also in erster Linie ideologisch sein. Sich mit einzelnen Forderungen im Wahlkampf aufzuhalten, kann nur im konkreten Fall sinnvoll sein, im Allgemeinen nicht.
Der antifaschistische Kampf kann auch nicht die zentrale Parole sein, die Nazis sind nicht der ´Hauptfeind´. Der Feind ist das bürgerliche Herrschaftssystem, das sich mit Wahlen legitimieren will.
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