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Aktuelle Kampagne, Debatte und Diskussion

Die Nationalratswahl 2013 und der Trotzkismus

Anfang September hielt das Rot Front Kollektiv bei einem Kampagnentreffen des Revolutionären Aufbaus ein Referat zum Thema „Die Haltung Trotzkistischer Organisationen zu den Nationalratswaheln 2013“. Nachfolgend bringen wir einen Ausschnitt dieses Referats und bedanken uns beim RFK dafür, uns diesen Text zur Verfügung zu stellen. (Red. RA-HP)

Zum Frage der Haltung des Trotzkismus zur kommenden Nationalratswahl, ziehen wir die Wahl-Erklärungen von zwei trotzkistischen Zirkeln aus Wien heran: Einerseits den „Arbeiter*innenstandpunkt“ (AST), andererseits die „Revolutionär-Kommunistische Organisation zur Befreiung“ (RKOB). Beide Erklärungen wurden in deren aktuellen Zeitungen, „Befreiung“ (Zeitung des AST) und „Revolutionäre Befreiung“ (Zeitung der RKOB) veröffentlicht. Beide Zirkel vertreten einen Standpunkt, den man unserer Kenntnis nach bei allen trotzkistischen Organisationen in Österreich, mit Ausnahme der SLP (DIe in Wien selbst kandidiert – RA), findet: Wahl der SPÖ.

(…)

RKOB

Die Erklärung der RKOB zu den Wahlen ist, obwohl sich dieser Zirkel dem Auftreten nach eher als ‚linker Flügel‘ des österreichischen Trotzkismus gebärdet, die weiter rechts stehende Erklärung der beiden herangezogenen. Zwar geht die Erklärung auf einzelne Punkte ein die der AST scheinbar nicht mal erwähnungswürdig findet – wie z.B. den Nichtwähleranteil. Dies jedoch nur, um festzustellen, dass die „Enttäuschung“ zwar verständlich ist, jedoch nicht unbedingt etwas darüber aussagt, dass es „keine Illusionen“ mehr gebe und überhaupt verzichte man durch Enthaltung auf ein „demokratisches Recht“, was nahelegt, dass die RKOB  glaubt, dass bürgerliche Wahlen heute noch etwas mit Demokratie zu tun hätten. Ansonsten gleicht die Erklärung einer normalen bürgerlichen Wahlanalyse wie man sie in jeder beliebigen Zeitung findet:

Partei für Partei wird abgeklopft, die Frage der bürgerlichen Herrschaftsform und des Parlamentarismus, bzw. der Sinnhaftigkeit der Beteiligung daran, wird aber in keiner Weise gestellt. Man fokussiert auf die Sozialdemokratie, die als „bürgerliche Arbeiterpartei“ eingeschätzt wird, was einerseits nahe legt, dass man die Sozialdemokratie als wesentliche politische Kraft innerhalb der ArbeiterInnenklasse ansieht und andererseits, dass die Sozialdemokratie nach wie vor als reformistisch verstanden wird. Diese Meinung teilen wir nicht, denn die SP ist keine reformistische Partei, sondern eine offen bürgerliche. Weiters kann so generalisierend kein politischer Einfluss der SP auf die gesamte ArbeiterInnenklasse festgestellt werden, sehr wohl aber auf deren Kernschichten – was ein großer Unterschied ist. Hier verwechselt die RKOB die untersten Schichten des Proletariats mit den mittleren und – wo die SP besonders stark ist – höheren Schichten der ArbeiterInnenklasse, was ihre (klein-)bürgerliche Position widerspiegelt, in der sie sich das Proletariat offenbar nicht anders, als wesentlich durch die Arbeiteraristokratie bestimmt denken kann. Diese Position ist auch erkennbar, wenn die heutigen Gewerkschaften als „Organe der Massen des Proletariats“ verstanden werden. Dass die österreichischen Gewerkschaften nach wie vor viele ProletarierInnen organisiert haben, ist richtig (auch hier sind die untersten Schichten jedoch eine Ausnahme), jedoch ist vollkommen rätselhaft, wodurch die Gewerkschaften im Kopf der RKOB plötzlich zu „Organen“ – also zu gewerkschaftspolitischen Instrumenten – dieser ProletarierInnen werden. Die RKOB ruft zu einer „kritischen Wahlunterstützung“ der SP auf, die mit den Arbeitermassen in der „ArbeiterInnenbewegung organisiert“ sei. Welchen politisch-ideologischen Charakter die jeweilige ArbeiterInnenbewegung hat und wie dieser in Zusammenhang mit der SPÖ steht, ist dabei offensichtlich einerlei, was wiederum „nachvollziehbar“ wird wenn man einige Zeilen weiter liest, dass in Einschätzung der RKOB die SPÖ nach wie vor von den „fortgeschrittenen Teilen der ArbeiterInnenklasse unterstützt“ werde.  Die RKOB möchte die „SPÖ in die Regierung schicken“, sie jedoch gleichzeitig zum Widerstand gegen Gewalttaten des Kapitals zwingen. Das möchte auch der AST, er hingegen mit dem nicht unwesentlichen Unterschied, hier zumindest wenige politische Kampfmittel zu nennen, mit denen er diese Illusion ‚aufputzt‘ (doch dazu weiter unten), die RKOB bezieht sich hingegen nur auf ökonomische, was wiederum ihre Verhaftung in Kleinbürgertum und Arbeiteraristokratie zeigt und die Positionen ihrer Erklärung, selbst innerhalb der trotzkistischen Ideologie, weit nach rechts rücken lässt.

In Fragen des Aufbaus einer „neuen Arbeiterpartei“ (wie es die RKOB nennt), orientiert man sich ebenso gänzlich an der SPÖ. Als diese bei den letzten Wahlen „krisenhafte Erscheinungen“ gezeigt habe, sei blöderweise die „Mobilisierung für den Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei“ nicht „ausreichend“ gewesen, was bedeutet, dass die Gründung einer Partei für die RKOB wesentlich von der organisatorisch-politischen Bedingung abhängt, und nicht zuallererst eine Frage ideologischer Natur ist. Folgerichtig werde die Bedingung für eine solche „neue Arbeiterpartei“ deutlich besser werden, wenn „breitere Teile der ArbeiterInnenklasse nach einer Alternative zur SPÖ suchen“. Hier bricht der offene Sozialdemokratismus – der natürliche Verwandte des Trotzkismus – durch: eine neue SP soll her, man bedient die Suche „enttäuschter“ SPler und möchte sie ‚auffangen‘, jedoch offenbar nicht zum Bruch mit der verderblichen Ideologie und Politik des Sozialdemokratismus führen. Die Krone wird dem Ganzen aufgesetzt, wenn die RKOB daraufhin behauptet, dass dies alles eng mit der „Wahltaktik der kritischen Wahlunterstützung der SPÖ verbunden“ sei. Wahlen und die Stellung dazu sind – zumindest im Marxismus – an sich keine Taktik, sondern eine Methode, die erst in Verbindung zur Taktik gesetzt werden muss. Dass im Trotzkismus Verwirrung entsteht, wenn Methode und Taktik nicht auseinandergehalten werden, versteht sich von selbst.

Weder bei AST, noch bei RKOB findet sich die Einschätzung der FPÖ als faschistisch. Sie tritt schlicht als quasi ‚rabiates Kleinbürgertum‘ auf. Wobei diese total falsche Einschätzung noch deutlicher wird, wenn sowohl RKOB als auch AST davon ausgehen, dass der Nationalismus und die Anti-EU-Parolen der FPÖ den Interessen der herrschenden Klasse  zuwider laufen (und sie deshalb nur von Teilen derselben Unterstützung finde) und dies nicht als Option der Bourgeoisie innerhalb der zwischenimperialistischen Widersprüche in der EU begreifen. Ebenso ist beiden eigen, dass sie den Einfluss der FPÖ in der ArbeiterInnenklasse de facto leugnen. Falls sie das nicht tun sollten, so spielt er zumindest in den Erklärungen keine Rolle.

AST

Auch die Stellungnahme des AST trieft nur so vor bürgerlicher Wahlanalyse (in der sogar zeitweilige – inzwischen schon lange nicht mehr aufrechte – Aussagen der Parteien zum Koalitionsverhalten wiedergekäut werden) und lässt ebenso jede Stellung zu System, Form und Methode der bürgerlichen Herrschaft beiseite. Doch der AST versucht im Gegensatz zur RKOB zumindest, den Imperialismus als Ausgangspunkt zu nehmen. Jedoch stellt er die leninistische Lehre des Imperialismus auf den Kopf, wenn er Kapital und Staatsapparat als zwei eigene, voneinander getrennte Gewalten bewertet und nicht umgekehrt betont, dass sich im Imperialismus das Kapital den Staatsapparat vollkommen untergeordnet hat, geradezu mit ihm verschmolzen ist. Daher ist es für ihn auch ganz und gar „nicht egal wer gewählt wird“, was bedeuten muss, dass über Wahlen sehr wohl eine Entscheidung herbeigeführt/beeinflusst werden könne (Das Volk dem Kapital auf diesem Weg vielleicht ein Schnippchen schlagen könnte?!). Dies zeigt beim AST die für den Trotzkismus obligatorische soziale und politische Basis im Kleinbürgertum und der Abreiteraristokratie, denn der AST möchte offenbar nicht wahrhaben, dass er in dieser angeblichen Demokratie in Wahrheit nichts mitzureden hat. Daher geht er von idealistischen und politisch falschen Schemata aus, welche die ÖVP und den Wirtschaftsbund in erbitterter Feindschaft zu den Gewerkschaften begreifen (die als einer der „Hauptfeinde des Großkapitals“ [!!!] bezeichnet werden) und die SPÖ, die eine Politik der „Kollaboration und des Kompromisses mit der Bourgeoisie“ verfolge, nicht als Teil der Bourgeoisie. Zurück zur Imperialismus-Bestimmung lesen wir von einem „österreichischen Junior-Imperialismus“ gegenüber Deutschland. Dass Österreich eine zwar kleine, aber schon lange nicht mehr nur im Schatten des BRD-Imperialismus agierende imperialistische Macht ist, wird offensichtlich bestritten, womit der AST ideologisch eindeutig auf nationalchauvinistischer Linie steht.

Im Gegensatz zur RKOB nimmt der AST zur KPÖ Stellung und wirft ihr ganz offen vor, nicht Wortradikal genug zu sein (ihre „Scheinradikalität erschöpfe sich in“ verschiedenen reformistischen Maßnahmen). Klartext wird hingegen gesprochen, wenn es um die SLP geht. Sie könne nicht gewählt werden, wegen 1.) des reformistischen Programms (wobei das der wahre Grund nicht sein kann, denn SPÖ und KPÖ wählt man ja auch) und 2.) wegen der ungenügenden Verankerung in der ArbeiterInnenklasse. Und damit wird klar: es geht darum, möglichst Einfluss zu haben und ein bisschen „rot“ zu erscheinen – es wird also jene Kraft gewählt, die es wirklich schaffen könnte die Massen ruhig zu halten, nicht jene, die zwar ähnlichen Mist verbreiten, jedoch politisch nicht in der Lage sind, diesen Mist auch wirklich in die Köpfe zu pflanzen. Die Frage der Partei wird beim AST kaum behandelt, so dass man vermuten könnte, dass die Parteigründung überhaupt keine Aufgabe dieser Organisation sei. Nur ganz am Schluss wird in ein, zwei Sätzen festgestellt, dass man so etwas wohl bräuchte, jedoch wird nicht genauer darauf eingegangen.

Zusammenfassung.

1- Beide Zirkel operieren nur im Kielwasser der SPÖ, davon werden sogar strategische Fragen abhängig gemacht – wie die Parteigründung (die sich beide Zirkel als Aufgabe auf die Fahnen heften). Das zeigt, wie sehr sie unter der ideologischen Hegemonie des Sozialdemokratismus stehen.

2- Wenn es zu einer Bestimmung der politischen Rahmenbedingungen kommt (Imperialismus), dann fungiert der Begriff als bloße Phrase und es wird nicht deutlich, was eigentlich der Unterschied zum Kapitalismus sein soll, was eine nationalchauvinistische, klassenfeindliche Haltung in der Frage des österreichischen Imperialismus zwangsläufig nach sich zieht.

3- Es gibt in den Stellungnahmen keine realen Ansätze von Perspektiven die den Massen gewiesen werden, denn außerhalb der Wahlen scheint es entweder nur ökonomische (Generalstreik, RKOB) Mittel zu geben, oder diese werden ‚aufgeputzt‘ mit Forderungen einer revolutionären Situation (Generalstreik, Errichtung von Räten, Arbeiterbewaffnung, Doppelmacht…, AST), wobei verschwiegen wird, wie der AST dort überhaupt hingelangen möchte. Damit werden auch die revolutionärsten Losungen ein reines Ablenkungsmanöver davon, dass die Vorschläge die man für heute macht zu tiefst bürgerlich sind. Alles Revolutionäre bleibt somit die pure Phrase und ist somit nur dazu gut, Verwirrung zu stiften.

4- Die Stellung die sie zur ‚bürgerlichen Demokratie‘ einnehmen ist eine arbeiteraristokratische, die darauf besteht an der Demokratie mitnaschen zu können – es ist die Illusion der ‚reinen Demokratie‘. Beide Zirkel sehen die ‚bürgerliche Demokratie‘ offenbar als einen Wert an sich, womit sie ideologiegeschichtlich felsenfest in der Tradition eines Kautskys, einem der großen Verräter der ArbeiterInnenklasse, stehen.

5- Beide Zirkel haben in den Erklärungen keine klare Stellung zum Faschismus und schätzen auch einen seiner offensten politischen Ausdrücke  (FPÖ) nicht entsprechend ein.

Beide Zirkel haben den Massen im Klassenkampf nichts anzubieten und stehen auch den demokratischen Bestrebungen im Volk vollkommen ohnmächtig gegenüber. Sie beziehen ideologisch klar Stellung gegen einen proletarisch-revolutionären Standpunkt und können der Vorbereitung der sozialistischen Revolution somit nicht dienlich sein. Sie sind unfähig den ideologischen Kampf selbst gegen die schlimmsten und offensichtlichsten Auswüchse des Imperialismus zu führen. Wenn sie in Zukunft eine politische Rolle spielen sollten, so kann das vor diesem Hintergrund nur dadurch geschehen, dass sie von der herrschenden Klasse direkt aufgepäppelt werden, und damit zu einem Rammbock gegen jede fortschrittliche proletarische oder Volksbewegung werden müssen. Das Proletariat hat nicht zu verlieren als seine Ketten, doch es hat eine Welt zu gewinnen. Die beiden behandelten Zirkel sind ideologisch offensichtlich (wie der Trotzkismus überhaupt) ein Teil der Ketten.

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