Am 5. August 1895 ist der große Philosoph, Mitbegründer der wissenschaftlichen Gesellschaftstheorie der Arbeiterklasse und Kommunist, Friedrich Engels, in London mit 75 Jahren gestorben. Zusammen mit Karl Marx hat er die Theorie des Marxismus entwickelt und den Übergang der Gesellschaft vom Kapitalismus zum Kommunismus untersucht und bewiesen. Er ist 1820 in Barmen (Wuppertal) geboren und dort in die Schule gegangen, die er in der letzten Klasse abgebrochen hat, um im Handelsgeschäft seines Vaters zu arbeiten. Obwohl er der Sohn eines Baumwollfabrikanten mit Betrieben in Deutschland und in Manchester (England) war, hat er sich in einen Revolutionär entwickelt und sein Leben der Arbeiterklasse, ihren Kämpfen und dem wissenschaftlichen Kommunismus gewidmet. Im Juli 1838 reiste er nach Bremen, wo er sich mit dem Kreis von den radikalen Intellektuellen „Jungen Deutschland“ verband und mit dem Studium der Philosophie Hegels anfing.
1841 leistete Engels seinen Militärdienst in Berlin und währenddessen besuchte er Vorlesungen zur Philosophie an der Universität – dort wurde er ein Junghegelianer und versuchte die hegelianische Philosophie unter Kritik zu setzen. Durch seine Arbeit bei der Rheinischen Zeitung als Journalist lernte er Marx persönlich kennen. 1843 wanderte er nach England aus, wo er die Arbeiterbewegung und die sozialistischen Ideen seiner Zeit eng beobachtete und deren Kampfformen wie Streiks und Versammlungen lernte. Ein Jahr später entstand seine Schrift „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie“.
Engels kehrte 1844 von Manchester nach Deutschland zurück, in einem Moment, wo die Arbeiterbewegung im Aufschwung war. Im Jahr 1845 erschienen die Werke „Heilige Familie“ (Gemeinschaftswerk mit Marx), in dem er die Grundlagen für die revolutionäre materielle Herangehensweise für die Geschichte und die Perspektive des Sozialismus setzte, sowie „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“, in dem er über seine Forschungen und Studien von England berichtete.
Im Frühling 1845 übersiedelte er nach Brüssel, wo Marx im Exil lebte und sie schrieben zusammen die „Deutsche Ideologie“, die eine Kritik an Feuerbach und den Neohegelianen bzw. der reaktionären philosophischen Strömung in Deutschland, die den Klassenkampf ablehnte, umfasste.
Im August 1847 gründete Engels gemeinsam mit Marx den Brüsseler Deutschen Arbeiterverein und Anfang November 1847 verfasste Engels die „Grundsätze des Kommunismus“. Aus der Ausarbeitung dieses Programms beim zweiten Kongress des „Bund der Kommunisten“ ist „Das Kommunistische Manifest“ entstanden.
Nach der Märzrevolution in Wien und Barrikadenkämpfen in Berlin (März 1848) arbeiteten Marx und Engels zusammen an den „Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland“ und planten die Gründung der Neuen Rheinische Zeitung, um ihre politische Ziele in aller Öffentlichkeit zu verbreiten.
Seit 1873 studierte Engels intensiv Naturwissenschaften (Physik und Mathematik) mit dem Ziel, eine dialektisch-materialistische Verallgemeinerung der bisherigen Erkenntnisse zu erfassen. Seine Ergebnisse sind im Werk „Die Dialektik der Natur“ zusammengefasst. In dieser Zeit schrieb er außerdem Schriften gegen Eugen Dühring und den metaphysischen Charakter seiner „Wirklichkeitsphilosophie“, die im Buch „Anti-Dühring“ gesammelt wurden. Das Buch ist eine Zusammenfassung des Marxismus und seiner drei Bestandteile: Der Philosophie, der Politischen Ökonomie und des Wissenschaftlichen Kommunismus.
Spätere Werke von Engels sind „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft“, in dem Engels die Grundsätze des Historischen Materialismus setzt und „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“, in dem er den Übergang von der Gesellschaftsformation der Urgesellschaft zu einer Klassengesellschaft analysiert.
In dieser kurzen und auf keinen Fall kompletten Biographie von Engels haben wir versucht, die wichtigsten Beiträgen Engels zum wissenschaftlichen Kommunismus zu präsentieren und das Interesse des Lesers zu wecken, seine reiche Literatur zu studieren.
Zum Gedenken für seinen 119. Todestag veröffentlichen wir hier einen Artikel und einen Ausschnitt aus einem Buch von Engels:
Der folgende Artikel von Engels mit Titel: „Ein gerechter Tagelohn für ein gerechtes Tagewerk“ wurde am 1. und 2. Mai 1881 für die Zeitung The Labour Standard geschrieben und ist heutzutage immer noch aktuell.
Ein gerechter Tagelohn für ein gerechtes Tagewerk
Das ist nun während der letzten fünfzig Jahre der Wahlspruch der englischen Arbeiterbewegung gewesen. Er leistete gute Dienste zur Zeit des Aufstiegs der Trade-Unions nach Aufhebung der schändlichen Antikoalitionsgesetze im Jahre 1824; noch bessere Dienste leistete er zur Zeit der ruhmreichen Chartistenbewegung, als die englischen Arbeiter an der Spitze der europäischen Arbeiterklasse marschierten. Aber die Zeit bleibt nicht stehen, und gar viele Dinge, die vor fünfzig und selbst noch vor dreißig Jahren wünschenswert und notwendig waren, sind nun veraltet und würden völlig fehl am Platze sein. Gehört das altehrwürdige Losungswort auch zu diesen Dingen?
Ein gerechter Tagelohn für ein gerechtes Tagewerk? Aber was ist ein gerechter Tagelohn, und was ist ein gerechtes Tagewerk? Wie werden sie bestimmt durch die Gesetze, unter denen die moderne Gesellschaft existiert und sich entwickelt? Um hierauf eine Antwort zu finden, dürfen wir uns weder auf die Wissenschaft von der Moral oder von Recht und Billigkeit berufen, noch auf irgendwelche sentimentalen Gefühle von Humanität, Gerechtigkeit oder gar Barmherzigkeit. Was moralisch gerecht ist, ja selbst was dem Gesetz nach gerecht ist, kann weit davon entfernt sein, sozial gerecht zu sein. Über soziale Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit wird durch eine einzige Wissenschaft entschieden – durch die Wissenschaft, die sich mit den materiellen Tatsachen von Produktion und Austausch befaßt, die Wissenschaft von der politischen Ökonomie.
Was wird nun nach der politischen Ökonomie ein gerechter Tagelohn und ein gerechtes Tagewerk genannt? Einfach die Lohnhöhe und die Dauer und Intensität einer Tagesarbeit, die durch die Konkurrenz des Unternehmers und des Arbeiters auf dem freien Markt bestimmt werden. Und was sind sie, wenn sie derart bestimmt werden?
Ein gerechter Tagelohn ist unter normalen Bedingungen die Summe, die erforderlich ist, dem Arbeiter die Existenzmittel zu verschaffen, die er entsprechend dem Lebensstandard seiner Stellung und seines Landes benötigt, um sich arbeitsfähig zu erhalten und sein Geschlecht fortzupflanzen. Die wirkliche Lohnhöhe mag, je nach den Schwankungen des Geschäftsganges, manchmal über, manchmal unter diesem Satze liegen; unter normalen Bedingungen sollte dieser Satz jedoch den Durchschnitt aller Lohnschwankungen bilden.
Ein gerechtes Tagewerk ist diejenige Dauer des Arbeitstages und diejenige Intensität der tatsächlichen Arbeit, bei denen ein Arbeiter die volle Arbeitskraft eines Tages verausgabt, ohne seine Fähigkeit zu beeinträchtigen, am nächsten Tag und an den folgenden Tagen dieselbe Arbeitsmenge zu leisten.
Der Vorgang kann demnach folgendermaßen beschrieben werden: Der Arbeiter gibt dem Kapitalisten die volle Arbeitskraft eines Tages, das heißt, so viel er geben kann, ohne die ununterbrochene Wiederholung des Vorgangs unmöglich zu machen. Im Austausch erhält er gerade so viel und nicht mehr an Existenzmitteln, wie nötig sind, um die Wiederholung desselben Geschäfts jeden Tag zu ermöglichen. Der Arbeiter gibt so viel, und der Kapitalist so wenig, wie es die Natur der Übereinkunft zulässt. Das ist eine sehr sonderbare Sorte von Gerechtigkeit.
Wir wollen aber etwas tiefer in die Sache eindringen. Da nach den politischen Ökonomen Lohn und Arbeitszeit durch die Konkurrenz bestimmt werden, scheint es die Gerechtigkeit zu verlangen, daß beide Seiten zu den gleichen Bedingungen denselben gerechten Ausgangspunkt haben. Aber das ist nicht der Fall. Wenn der Kapitalist mit dem Arbeiter nicht einig werden kann, kann er es sich leisten, zu warten, und von seinem Kapital leben. Der Arbeiter kann das nicht. Er hat nur seinen Lohn zum Leben und muß daher Arbeit annehmen, wann, wo und zu welchen Bedingungen er sie bekommen kann. Der Arbeiter hat keinen gerechten Ausgangspunkt. Durch den Hunger ist er außerordentlich benachteiligt. Und dennoch ist das nach der politischen Ökonomie der Kapitalistenklasse der Gipfel der Gerechtigkeit.
Aber das ist noch das wenigste. Die Anwendung von mechanischer Kraft und Maschinerie in neuen Gewerben und die Ausbreitung und Vervollkommnung der Maschinerie in Gewerben, in denen sie sich bereits durchgesetzt hat, verdrängen immer mehr „Hände“ von ihrem Arbeitsplatz; und das geschieht in weit schnellerem Tempo, als die überflüssig gewordenen „Hände“ von den Fabriken des Landes aufgesogen und beschäftigt werden können. Diese überflüssigen „Hände“ stellen dem Kapital eine richtige industrielle Reservearmee zur Verfügung. Bei schlechtem Geschäftsgang mögen sie hungern, betteln, stehlen oder ins Arbeitshaus gehen; bei gutem Geschäftsgang sind sie zur Hand für die Ausdehnung der Produktion; und solange nicht auch der allerletzte Mann, die letzte Frau und das letzte Kind Arbeit gefunden haben sollten – was nur in Zelten stürmischer Überproduktion der Fall ist -, solange wird die Konkurrenz dieser Reservearmee die Löhne niedrig halten und durch ihre bloße Existenz die Macht des Kapitals in seinem Kampf gegen die Arbeiter verstärken. In dem Wettlauf mit dem Kapital sind die Arbeiter nicht nur benachteiligt, sie haben eine ans Bein geschmiedete Kanonenkugel mitzuschleppen. Aber das ist nach der kapitalistischen politischen Ökonomie Gerechtigkeit.
Nun wollen wir untersuchen, aus welchem Fonds das Kapital diese so überaus gerechten Löhne zahlt. Aus dem Kapital natürlich. Aber Kapital produziert keine Werte. Arbeit ist, abgesehen vom Grund und Boden, die einzige Quelle des Reichtums; Kapital selbst ist nichts weiter als aufgehäuftes Arbeitsprodukt. Hieraus folgt, dass der Arbeitslohn aus der Arbeit gezahlt wird und dass der Arbeiter aus seinem eigenen Arbeitsprodukt entlohnt wird. Entsprechend dem, was man gewöhnlich Gerechtigkeit nennt, müsste der Lohn des Arbeiters aus dem Produkt seiner Arbeit bestehen. Aber das würde nach der politischen Ökonomie nicht gerecht sein. Im Gegenteil, das Arbeitsprodukt des Arbeiters geht an den Kapitalisten, und der Arbeiter erhält davon nicht mehr als die bloßen Existenzmittel. Und das Ende dieses ungewöhnlich „gerechten“ Wettlaufs der Konkurrenz ist somit, dass das Arbeitsprodukt derer, die arbeiten, unvermeidlich in den Händen derer angehäuft wird, die nicht arbeiten, und in ihren Händen zu dem mächtigsten Mittel wird, eben die Menschen zu versklaven, die es hervorgebracht haben.
Ein gerechter Tagelohn für ein gerechtes Tagewerk! Mancherlei wäre auch über das gerechte Tagewerk zu sagen, dessen Gerechtigkeit auf genau der gleichen Höhe steht wie die der Löhne. Aber das müssen wir uns für eine andere Gelegenheit aufsparen. Aus dem Dargelegten geht ganz klar hervor, daß sich das alte Losungswort überlebt hat und heutzutage kaum noch Stich hält. Die Gerechtigkeit der politischen Ökonomie, wie sie in Wirklichkeit die Gesetze fixiert, die die bestehende Gesellschaft beherrschen, diese Gerechtigkeit ist ganz auf der einen Seite – auf der des Kapitals. Begrabt darum den alten Wahlspruch für immer, und ersetzt ihn durch einen anderen:
Besitzer der Arbeitsmittel — der Rohstoffe, Fabriken und Maschinen — soll das arbeitende Volk selbst sein.
Der folgende Ausschnitt ist aus Engels Werk: „Dialektik der Natur“, ein grundlegendes Werk des Marxismus, wo Engels eine dialektisch-materialistische Herangehensweise über die Naturwissenschaften der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt. Er kritisiert alle metaphysischen und idealistischen Konzeptionen seiner Zeit und entwickelt die materialistische Dialektik weiter.
„Die Dialektik, die sog. objektive, herrscht in der ganzen Natur, und die sog. subjektive Dialektik, das dialektische Denken, ist nur Reflex der in der Natur sich überall geltend machenden Bewegung in Gegensätzen, die durch ihren fortwährenden Widerstreit und ihr schließliches Aufgehen ineinander, resp. in höhere Formen, eben das Leben der Natur bedingen. Attraktion und Repulsion. Beim Magnetismus fängt die Polarität an, sie zeigt sich an ein und demselben Körper; bei der Elektrizität verteilt sie sich auf 2 oder mehr, die in gegenseitige Spannung geraten. Alle chemischen Prozesse reduzieren sich auf Vorgänge der chemischen Attraktion und Repulsion. Endlich im organischen Leben ist die Bildung des Zellenkerns ebenfalls als eine Polarisierung des lebendigen Eiweißstoffs zu betrachten, und von der einfachen Zelle an weist die Entwicklungstheorie nach, wie jeder Fortschritt bis zur kompliziertesten Pflanze einerseits, bis zum Menschen andrerseits, durch den fortwährenden Widerstreit von Vererbung und Anpassung bewirkt wird. Es zeigt sich dabei, wie wenig Kategorien wie »positiv« und »negativ« auf solche Entwicklungsformen anwendbar sind. Man kann die Vererbung als die positive, erhaltende Seite, die Anpassung als die negative, das Ererbte fortwährend zerstörende Seite, aber ebenso gut die Anpassung als die schöpferische, aktive, positive, die Vererbung als die widerstrebende, passive, negative Tätigkeit auffassen. Wie aber in der Geschichte der Fortschritt als Negation des Bestehenden auftritt, so wird auch hier – aus rein praktischen Gründen – die Anpassung besser als negative Tätigkeit gefasst. In der Geschichte tritt die Bewegung in Gegensätzen erst recht hervor in allen kritischen Epochen der leitenden Völker. In solchen Momenten hat ein Volk nur die Wahl zwischen zwei Hörnern eines Dilemmas: entweder – oder!, und zwar ist die Frage immer ganz anders gestellt, als das politisierende Philisterium aller Zeiten sie gestellt wünscht. Selbst der liberale deutsche Philister von 1848 fand sich 1849 plötzlich und unerwartet und wider Willen vor die Frage gestellt: Rückkehr zur alten Reaktion in verschärfter Form, oder Fortgang der Revolution bis zur Republik, vielleicht gar der einen und unteilbaren mit sozialistischem Hintergrund. Er besann sich nicht lange und half die Manteuffelsche Reaktion als Blüte des deutschen Liberalismus schaffen. Ebenso 1851 der französische Bourgeois vor dem von ihm sicher nicht erwarteten Dilemma: Karikatur des Kaisertums, Prätorianertum und Ausbeutung Frankreichs durch eine Lumpenbande, oder sozialdemokratische Republik – und er duckte sich vor der Lumpenbande, um unter ihrem Schutz die Arbeiter fortausbeuten zu können.“
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