Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand gegen den israelischen Apartheidstaat, sowie auch die bloße demokratische Thematisierung dieses Widerstands, wird immer wieder von bürgerlichen Kräften bekämpft. So ist es schon oft geschehen und wird wohl auch in naher Zukunft immer wieder passieren. Anfang März liefen die mit der israelischen Regierung und der rassistischen, zionistischen Politik solidarischen Kräfte jedoch zu neuer Form auf und verteilten einen Rundumschlag, der auch bisher nicht näher ins Visier genommene Ziele betraf – beispielsweise das Kulturzentrum Amerlinghaus in Wien.
Seit Jahren ist dieses Kulturzentrum am Spittelberg ein Ort der demokratischen Betätigung. Dort können sich verschiedenste Gruppen und Initiativen aus politischen, sozialen und kulturellen Bewegungen unentgeltlich treffen und sich austauschen. Von Sprachkursen über Frauengruppen, bis hin zu Musikworkshops und verschiedenen politischen Veranstaltungen finden dort monatlich zusammengerechnet hunderte selbstorganisierte Treffen statt. Das Amerlinghaus wurde so über die Jahre hinweg zu einem sehr wichtigen Ort kultureller Aktivitäten, die vielfach ansonsten der kommerziellen Kulturindustrie des Mainstreams ausgeliefert wären. Auch im Rahmen der „Israeli Apartheid Week“ (IAW, eine regelmäßige internationale Aktionswoche, die auf die in Israel bestehende Apartheid aufmerksam macht) sollten im Amerlinghaus Veransaltungen stattfinden. Konkret ging es um Gruppentreffen der Kampagne „Boycott – Disinvestment – Sanctions“ (BDS; die u.a. für den Boykott, den Rückzug von Investitionen und Sanktionen gegenüber jenen Firmen eintritt, die von der israelischen Apartheid profitieren), eine Diskussionsveranstaltung mit jüdisch-israelischen BDS-Aktivisten und einen Film der gezeigt werden sollte, ein Film der auch schon in Israel bei kritischen Filmfestspielen vorgeführt wurde, der die politische Unterdrückung in Israel und den antiarabischen Rassismus behandelt.
Daraufhin wurde über eine Presseaussendung ein Brief veröffentlicht, der auf überaus wirre Art und Weise versucht, zwischen der IAW, BDS und einigen ekelhaften antisemitischen Vorfällen in Europa und den USA eine Verbindung herzustellen. Der Versuch der VerfasserInnen des Briefs, eine Verbindung zwischen Antizionisten und Antisemiten herzustellen scheiterte kläglich, was sich auch darin ausdrückt, dass sie natürlich nicht in der Lage waren, einen klaren Argumentationsstrang zu entwickeln. Antisemitische Tendenzen an US-amerikanischen Universitäten werden ebenso unmittelbar mit BDS in Verbindung gesetzt, wie entsprechende Vorfälle bei Demonstrationen vor über zehn Jahren. Der ganze Brief erinnert daher seiner Argumentationsform nach durchaus an die derzeit in Unzahl kursierenden faschistoiden, wirren Verschwörungstheorien, mit dem Unterschied, dass er von mehreren Personen aus Politik und bürgerlichem Kulturbetrieb unterzeichnet ist.
In besagtem Brief wird die Regierung der Stadt Wien, insbesondere deren Bürgermeister Michael Häupl, dazu aufgerufen, dem Amerlinghaus sämtliche Fördergelder zu kürzen, wenn dieses die Veranstaltung nicht absagen würde. Die Konsequenz für das chronisch in Geldnöten befindliche Amerlinghaus wäre ganz eindeutig dessen Schließung. Das wollen diese unterzeichnenden VertreterInnen des etablierten, bürgerlichen Kulturbetriebs also – die Schließung des Amerlinghauses als Ort der alternative, selbstorganisierte Kultur erlaubt, bzw. möglich macht. Das kann „großen“ Literaten wie einem Robert Schindel, der schon als Mitglied des Kommunistischen Bundes Österreichs bei dessen Auflösung 1981 politisch eine sehr üble und rechte Rolle spielte und damit auf eine gewisse Kontinuität reaktionärer Tätigkeit zurückblicken kann, nur recht sein, wenn Orte, die sich dem Zugriff der großen Verlagshäuser und Kulturvermarkter entziehen, schließen müssen. Außer präpotenten Figuren wie einem Robert Schindel unterzeichneten, neben einzelnen Grünen- und SPÖ-PolitikerInnen, auch RepräsentantInnen von „Wien Anders“ (einem Bündnis u.a. aus KPÖ und Piraten). Dass Wien Anders nur wenige Tage vor Veröffentlichung des Briefs im Internet auf WählerInnenfang ging indem sie plakativ etwas von wegen „Erhalt von Freiräumen“ faselten, tat da nichts zu Sache. So scheint beispielsweise ihre Spitzenkandidatin Juliana Okropiridse als Mitunterzeichnerin jenes Briefs auf, der gegebenenfalls die Schließung des Amerlinghauses fordert. „Freiraum“ gibt es also nur, solange „Wien Anders“ damit konform geht, ansonsten drohen Subventionsentzug und Schließung! Die metternichsche, selbstgerechte Mentalität dieses Auswurfs der Reste der Wiener „Bobo-Linken“ wurde kaum je deutlicher, und um sie durchzusetzen ist es ihr jederzeit recht und billig, auch die staatlichen Institutionen anzurufen und sich politisch mit ihnen zu verbinden! Institutionen jenes bürgerlichen Staates wohlgemerkt, der derzeit massenhaft Flüchtlinge im Mittelmeer und auf anderen Fluchtwegen grausam ermordet.
Nachdem sich fast alles „links“ getarnte Reaktionäre mittels des Briefs zusammenrottete, war es auch nicht weiter verwunderlich, dass sich innerhalb kürzester Zeit noch die Wiener FPÖ und ÖVP mit jeweils eigenen Pressemeldungen der „Kritik“ am Amerlinghaus und der IAW anschlossen. Damit wurden vorerst die Reihen gegen den Antirassismus geschlossen, die Querfront von FPÖ bis hin zu Grünen und Wien Anders war ein weiteres Mal vollbracht. Das Amerlinghaus musste aufgrund des wachsenden Drucks nachgeben, unter Absprache mit den IAW-AktivistInnen wurden Filmvorführung und Diskussionsveranstaltung abgesagt. Der antirassistische Film wäre übrigens von der Gruppe „Frauen in Schwarz“ gezeigt worden, einer antirassitischen und damit auch antizionistischen Frauengruppe, die selbst aus Jüdinnen und Frauen jüdischer Herkunft besteht. Die Diskussionsveranstaltung mit einem jüdischen Antiapartheid-Aktivisten aus Israel hätte selbstverständlich die Möglichkeit gegeben, Fragen zu stellen und auch die kritische Debatte zu führen. Was also vermochte die in den allen Farben des Regenbogens schillernde Querfront der Reaktionäre auszurichten? Sie brachten es zuwege, dass in einem Land in dem der antiarabische Rassismus zunehmend kultiviert wird und wo eine Welle des allgemeinen Rassismus und des aufstrebenden Faschismus die nächste jagt, ein Film der sich gegen Rassismus und Repression richtet, der von einer antirassistischen, jüdischen Frauengruppe gezeigt werden sollte, nicht zur Aufführung kam, sowie einem israelischen, antizionistischen Aktivisten Redeverbot erteilt wurde. Die Kräfte die den genannten Brief unterzeichneten, beweisen damit ein weiteres Mal, was sie tatsächlich meinen, wenn sie von „Antirassismus“ reden: männliches, weißes Herrenmenschentum. Antirassismus ist gut, solange er für Weiße im Allgemeinen und Europäer im Besonderen gilt. Kommen arabische Menschen und andere „Kulturfremde“ ins Spiel, sieht die Sache anders aus, da besinnt man sich plötzlich der „aufgeklärten europäischen Werte“ die es gegen die (arabische und sonstige „fremdländische“) „Barbarei“ zu verteidigen gelte. Ideologisch stehen sie damit den faschistischen Identitären viel näher, als einzelne von ihnen politisch vielleicht glauben mögen.
International geschehen diese Vorfälle in Wien vor dem Hintergrund der drängenden Neuverteilung von Ressourcen und Einflusssphären in der arabischen Welt durch die imperialistischen Räubernationen und -bündnisse. Russland, China, die EU und die USA streiten (unter Hinzuziehung ihrer jeweiligen Stiefelputzer vor Ort) um eine neue Verteilung Syriens, Libyens, Ägyptens und anderer Länder. Israel dient dabei vor allem dem „Westen“ (der EU und USA) als Vorposten und nimmt daher eine besondere Stellung ein. Auch das österreichische Kapital hat in Israel Interesse, sein Investitionsvolumen dort wächst stetig an, womit auch das österreichische Kapital immer stärker zum Profiteur der Apartheid wird und immer umfassender Profite aus den besetzten Gebieten, aus der besonderen Unterdrückung der PalästinenserInnen, schlägt. Doch die Imperialisten stehen nicht nur in Konkurrenz zueinander, sondern haben vor allem Probleme mit dem antiimperialistischen Massenwiderstand. In diesem Massenwiderstand nimmt wiederum der palästinensische Befreiungskampf eine besondere Stellung ein. Dass nun in Österreich die Vorführung eines kritischen Films verhindert und eine Diskussionsveranstaltung abgesagt werden muss, ist ein konkreter Ausdruck dieser Widersprüche zwischen Imperialismus und unterdrückten Völkern und Nationen. Die österreichische Bourgeoisie kann es sich offenbar immer weniger leisten, öffentliche Events zu erlauben die zu einer breiten, internationalistischen Solidarisierung mit den auch von ihr Unterdrückten führen könnten. Erst vor einigen Tagen wurde beispielsweise bekannt, dass das britisch-österreichische Sicherheitsunternehmen G4S, das in Israel beispielsweise in Gefängnissen und in den besetzten Gebieten engagiert war, sich wegen des wachsenden internationalen Drucks vom israelischen Markt zurückziehen wird, was einen Millionenverlust für die österreichische Bourgeoisie bedeutet.
Die jüngsten Attacken auf die Aktivitäten der IAW zeigen, dass den Imperialisten das Wasser bis zum Hals steht. Für die ersten Angriffe gegen den Internationalismus und gegen die Solidarität, nutzen sie in diesem konkreten Fall die Abteilung der „Briefunterzeichner“, doch dabei wird es nicht bleiben. In Zukunft wird die Repression der staatlichen Organe die internationalistische Solidaritätsbewegung verstärkt ins Visier nehmen, ganz einfach deshalb weil diese Ziele vertritt, die denen der österreichischen Bourgeoisie mittelfristig entgegengesetzt sind. Auf wachsende Repression und Unterdrückung sollte die demokratische und internationalistische Solidaritätsbewegung also vorbereitet sein. Jede Maßnahme und Aktion welche die internationalistische und demokratische Solidaritätsarbeit stärkt, ist daher zu begrüßen und möglichst breit auszuführen. Als Konsequenz der Vorfälle rund um die IAW in Wien und die zynischen Angriffe auf Aktivitäten der Antiapartheidsbewegung, rufen wir dazu auf vor allem dieses Feld der internationalen Solidaritätsarbeit, des revolutionären und demokratischen Engagements gegen Rassismus, europäisches Herrenmenschentum und Reaktion zu stärken!
Solidarität mit dem Amerlinghaus und den AktivistInnen der Israel Apartheid Week (IAW)!
Nieder mit Rassismus und Imperialismus!
Für ein freies und unabhängiges Palästina!
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